Donnerstag, 19. April 2007

Jobmotor Mittelstand

Prominent verlinkt und natürlich auch per LZ-Artikel präsentiert uns die Uni Lüneburg Leuphana ein Forschungsergebnis. Prof. Wagner belegt empirisch, dass der Mittelstand genauso viele Arbeitsplätze schafft und abbaut, wie große Konzerne. Das jedoch ist eine Binsenweisheit, weil die Konzerne keine mehr wären, würden sie permanent nur Stellen streichen, also nur schrumpfen. Egal, ein nettes Forschungsergebnis, schnell an die Öffentlichkeit damit: Publish or perish.

Hier wäre nun dieser Artikel wieder zu ende, wenn dem nicht eine politische Dimension hinzugefügt würde:
Wirtschaftspolitische Maßnahmen mit einer spezifischen Ausrichtung auf bestimmte Firmengrößenklassen lassen sich nicht mit einem besonders ausgeprägten Beitrag dieser Firmen zur Beschäftigungsdynamik rechtfertigen (...).
Was will man uns damit sagen, ohne es auszusprechen? Mittelstandsförderung ineffizient, also abzuschaffen? Laut Wikipedia umfasst der Mittelstand 99,7% aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen. Er beschäftigt 76,3% aller Arbeitnehmer und 68,5% aller Azubis. Der Mittelstand bildet also die breite Masse der Unternehmen und ermöglicht den meisten Menschen Lohn, Brötchen und Bildung. Er ist wirtschafts- und sozialpolitisch von höchster Relevanz.

Der Mittelstand erzielt aber nur 41,2% aller Umsätze. Das bedeutet, dass mit relativ vielen Menschen relativ wenig umgesetzt wird, während es in den Konzernen umgekehrt aussieht. Das bedeutet weiterhin, dass mittelständische Unternehmen weniger stark rationalisieren und weniger Arbeitsplätze an billigere Standorte verlagern. Sie fördern das Gemeinwohl durch die höhere Beschäftigungsrate weitaus stärker als Konzerne, die im Vergleich zum Umsatz weniger Lohnkosten haben, also auch weniger Geld an Arbeitnehmer verteilen und weniger in die Sozialkassen einzahlen. So gesehen ist der Mittelstand sehr wohl der Jobmotor der deutschen Wirtschaft.

Prof. Wagner will diese Fakten nur dadurch widerlegen, dass er beweist, dass die kleinen genauso "atmen" wie die großen. Und dieses "Ergebnis" steht dann unhinterfragt so in der Zeitung. McKinsey und Bertelsmann lesen das sicher sehr gerne. Sascha und Holm wird's um so mehr freuen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

*hüstel*
Naja, also solange ihr Prof. Wagner nicht schwere methodologische Fehler nachweisen könnt, würde ich mich SEHR schwertun, eure Interpretation nachzuvollziehen.
Gut, es gibt natürlich auch wissenschaftssoziologische/theoretische/politische Kritik an der... hmm... nennen wir es mal Hauptströmung innerhalb der BWL. Ein gewissermaßen festgefahrenes Wissenschaftsparadigma.
Dabei bietet schon der erste Satz: "Prof. Wagner belegt empirisch, dass der Mittelstand genauso viele Arbeitsplätze schafft und abbaut, wie große Konzerne." einen guten Ansatzpunkt, sich über wirtschaftliche Theorie und Praxis zu unterhalten. Denn wenn schon der von euch so gelobte Mittelstand massiv Stellen abbaut, ist es eben noch schwerer, "den meisten Menschen Lohn, Brötchen und Bildung" zu bieten...