Donnerstag, 2. August 2007

Koennt ihr es ueberhaupt noch empfehlen sich an der Leuphana einzuschreiben?

Im Kommentar zum letzten Blog-Eintrag tauchte die Frage auf:
Koennt ihr es ueberhaupt noch empfehlen sich an der Leuphana einzuschreiben?
Dazu sei zunächst gesagt: Dieses Blog dient nicht dazu, Erstsemester abzuschrecken. Uns ist bewusst, dass unsere Anschuldigungen teilweise diesen Effekt haben. Das ändert aber nichts an der Berechtigung unserer Kritik.

Die Frage, ob wir unseren Studienort noch empfehlen können, kann nicht in einem Satz beantwortet werden. Da spielen eine Menge Faktoren hinein. Unter Professoren, Angestellten und Studierenden gibt es erheblichen Unmut, was die Reformen betrifft. Gerade seitens der Studierenden findet wenig Gegenwehr statt. Tenor scheint zu sein: Bloß schnell zu ende studieren, bevor uns der Hahn abgedreht wird. Die Uni-Leitung hat allen Alt-Studierenden versprochen, dass sie ihr Studium geordnet und sinnvoll zu ende bringen können. In einigen Fachbereichen scheint das sehr gut zu funktionieren, in anderen sind erhebliche Zweifel angebracht.

Die Frage zielt aber auf ein Studium an Leuphana-College. Das ist weitgehend einmalig, neu strukturiert, es gibt keinerlei Erfahrungswerte. Schon deshalb können wir Euch weder zu- noch abraten. Ihr solltet ganz vor allem versuchen herauszufinden, ob Euer jeweiliger Studiengang in etwa Euren Wünschen und Erwartungen entsprechen könnte, und danach entscheiden.

Die Universität ist sehr inhomogen und wird es entgegen der Hochglanz-Leuphana-Propaganda auch noch mehrere Semester lang bleiben. Das liegt vor allem an der Fusion zwischen Fachhochschule und Uni vor 2 Jahren. Die Lage scheint in den ehemaligen FH-Studiengängen ein gutes Stück entspannter zu sein als in den ehemaligen Uni-Fakultäten. Und das scheint auch weiterhin für den Bachelor zu gelten. Die Alt-FH hatte eine andere Kultur. Die Studiengänge waren verschulter, aber erheblich besser organisiert, es gab und gibt klare Pläne zum Studienverlauf, feste Klausurzeiten, ein äußerst angenehmes Verhältnis zwischen Zahl der Studierenden und Zahl der Dozenten. Dass Studiengänge überlaufen sind, mies organisiert, Du auch mal mehrere Semester auf die Korrektur einer Hausarbeit wartest, das ist vor allem aus den oft schlecht besetzten Studiengängen der ehem. Universität bekannt, speziell in den pädagogischen Fächern.
  • Lehramt, ehemaliger Uni-Studiengang, teilweise chaotisch organisiert, chronisch unterbesetzt, dass sich das in Zukunft verbessert, kann man nur hoffen, evtl. in Zukunft von Streichung bedroht
  • Pädagogik, siehe Lehramt
  • Sozialpädagogik (Uni und FH) sind fusioniert. Neue Strukturen bilden sich gerade heraus. Der FH-Studiengang war ordentlich organisiert und hatte einen guten Schlüssel, der Uni-Studiengang z.T. sehr chaotisch und überlaufen.
  • Kulturwissenschaften, sehr frei, einerseits Defizite im Bereich der Lehre, andererseits ein seltener Studiengang und Aushängeschild der Universität. Wer sich hierfür entscheidet, wird wohl überhaupt Schwierigkeiten haben, einen Studienplatz zu bekommen. Das Studium in Lüneburg ist trotz einiger Defizite empfehlenswert. In kaum einem Studiengang sind Gestaltungsspielraum und Mitwirkungsmöglichkeiten der Studierenden so hoch
  • Umweltwissenschaften: Ebenfalls ein Aushängeschild mit gewisser Zukunftssicherheit und anscheinend ordentliche Bedingungen
  • BWL (Uni und FH zusammengelegt), der Studiengang ist weitgehend von der Ex-Uni aufgesogen. FH-Kultur findet sich hier kaum. Die Ausstattung ist gut, der Studiengang wird als "wirtschaftsnah" Bestand haben und Mittel erhalten
  • Wirtschaftsinformatik: Viel ehemalige FH-Kultur, gut durchorganisiert, guter Betreuungsschlüssel, teilweise wird recht streng "gesiebt". Problem: BWL-Anteile finden am Campus statt, während die Informatik im Volgershall gelehrt wird: Das Pendeln zwischen 2 Vorlesungen ist mit dem Bus gar nicht und mit dem Rad/Auto nur unter Stress zu schaffen.
  • Automatisierungstechnik: Kleiner, familiärer Studiengang am Volgershall mit ausgezeichnetem Schlüssel. Als Fremdkörper und für die Uni recht teurer Studiengang evtl. ein Streichungskandidat.
  • Bauingenieur und angewandte Informatik in Suderburg: die letzte Zweigstelle der Alt-FH außerhalb Lüneburgs. Gerüchten zu Folge von Streichung nach der Landtagswahl 2008 bedroht.
  • Wirtschaftsrecht: Ehemaliger FH-Studiengang und entsprechend gut bestückt und organisiert. Elite-Fach im spounschen Sinne. Schlüssel, Mittel und Organisation stimmten, beste Chancen für Absolventen, wahrscheinlich langfristig gesichert.
  • Wirtschaftsspychologie: Siehe Wirtschaftsrecht.
Das kann natürlich nur eine grobe Orientierung sein. Bei Deiner Auswahl solltest Du noch weitere Faktoren berücksichtigen: Du studierst hier (wie fast überall) nur noch auf einen Bachelor und evtl. später Master. Das heißt, von Dir wird permanent verlangt, innerhalb bestimmter Fristen bestimmte Scheine zu schaffen, wobei Du nur wenigen Wiederholungsmöglichkeiten hast. Wer nicht diszipliniert studieren kann oder will, kann sehr viel schneller als früher exmatrikuliert werden. Der Workload ist dermaßen hoch, dass ein Nebenjob oder Kindererziehung kaum noch möglich sein werden. Dafür wird ein Teilzeit-Studium angeboten, welches wiederum nicht mit dem BaFöG kompatibel ist.

Im Gegensatz zu anderen Bachelor-Studiengängen gibt es das so genannte Leuphana-Semester, das alle Studierenden (fast) einheitlich absolvieren. Dieses Semester ist eine lobenswerte Idee, hat aber zur Folge, dass der Stoff des Bachelors von 6 auf 5 Semester komprimiert wird. Einen Abschluss in der Regelstudienzeit zu schaffen, wird am Leuphana-College eventuell schwieriger sein als an anderen Universitäten, es sei denn, man entscheidet sich für die Studiengänge mit gutem Betreuungsschlüssel.

Eine ganz große Rolle bei der Entscheidung spielt aber schließlich auch noch der Studienort. Lüneburg ist nicht zu groß und nicht zu klein, hat ein sehr angenehmes Flair, die Vorteile der Nähe zu Hamburg ohne die Reizüberflutung und Ablenkung einer Großstadt und einen brauchbaren Arbeitsmarkt für Nebenjobs.

Tja und ganz am Ende die Sache mit dem Spoun. Wir haben offenbar einen Präsiditenten, der möglichst flott und undemokratisch bis autoritär versucht, durchzuregieren und dabei neoliberalen Ansichten folgt. Der (zumindest nach derzeitiger Lage) eine Hochglanzfassade und Imagekampagne aus dem Boden stampft und ein 100-Mio-Euro-Audimax zusammenmauschelt, aber entschieden zu wenig Lösungen für die Probleme und Defizite an unserer Uni anbietet. Ich tippe mal einfach: Wer "wirtschafsnah" und karriereorientiert die entsprechenden Fächer studiert, wird sich damit sehr wohl fühlen. Wer eher links und/oder geisteswissenschaftlich orientiert ist und beim Studium noch immer an WG-Diskussionen und Che-Plakate denkt, wird sich vermutlich sein ganzes Studium über an dieser Uni reiben.

Das Leuphana-College ist, wie gesagt, völlig neu und unerprobt. Wie gut oder schlecht es seine Versprechen einlösen wird, kann derzeit niemand sagen. Bedenklich stimmt, dass selbst Präsident Spoun Leuphana mit einem Ei vergleicht, bei dem man vorher nicht wisse, was herauskommt. Dieses Risiko/Abenteuer muss eingehen, wer hier studieren möchte. Auf der anderen Seite sei gesagt: Die lehrenden Professoren waren auch schon vor Spoun da und haben damals ganz überwiegend die gleichen Vorlesungen gehalten wie heute. Eine Uni ist mehr als sein Präsidium. Zumindest in den Studiengängen, die noch weitgehend ihren Pendants aus der Zeit vor der Fusion ähneln und von den gleichen Professoren betreut werden, ist vieles noch wie damals. Mit allen Vor- und Nachteilen.