Donnerstag, 22. März 2007

Meinungen zu Leuphana

Die Landeszeitung überschlägt sich mit Lob. Heute hat sie unter anderem kleine Bildchen von Studenten mit Kurzmeinung abgedruckt. Tenor: irgendwie gut, irgendwie interessant, eigentlich wissen wir von nichts, abwarten. Woher sollen die armen Studis auch etwas wissen über einen Prozess, zu dem bisher kaum etwas vernünftig kommuniziert wurde? Insider haben da durchaus ihre Meinung, z.B.

Studierendenparlament und ASTA:

...ist die Umstrukturierung der Universität Lüneburg zu der Marke „Leuphana Universität Lüneburg“ nachvollziehbar, aber grundsätzlich abzulehnen. An die wirtschaftlichen Interessen angepasst, sollen Leuphana-Abgänger von einem individuellen Persönlichkeitsbild geprägt sein und die auf dem Arbeitsmarkt erforderliche Vielseitigkeit mitbringen. [...] Eine soziale Selektion ist leider abzusehen, die Idee einer freien Bildung für Jedermann bleibt zurück. [...] Im Laufe des letzten Jahres haben sich jedoch einige Versäumnisse in der Kommunikation seitens der Universitätsleitung herausgestellt – interne Öffentlichkeitsarbeit und Informationsaustausch blieben sowohl bei der Namensgebung, der Einführung eines neuen akademischen Kalenders, der Umstellung der Studiengänge, als auch bei Gerüchten „ohne faktische Grundlagen“, wie beispielsweise einem geplanten Audimax ein Opfer von Schnelligkeit und fehlerhaftem Kommunikationsverhalten.


oder Politikreferat des ASTA:

Technokratisch, nachhaltig selektionsorientiert. [...] Wer beispielsweise schon einmal im Land- oder Bundestag war, ein Stipendium genossen, einen Preis auf Bundesebene gewonnen, ein Unternehmen gegründet und geführt, einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt absolviert sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung genossen hat, darf sich auf die Sonnenseite zählen. Das durchschnittliche Alter für die Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung liegt allerdings zwischen 18 und 19 Jahren. Zu jenem Zeitpunkt bereits Mitglied im Land- oder Bundestag zu sein oder ein Unternehmen geführt zu haben, amüsiert die/den geneigteN LeserIn zurecht nicht zu knapp. [...] Sollte sich doch noch ein Studierender aus einer sozial „prekären“ Schicht, wie es so schön heißt, durch das Aufnahmeprozedere verirren, so hat sie/er es nicht leicht. Zum nebenbei Jobben ist der Bachelor nicht ausgelegt. Sein vorgefertigter Stundenplan sieht die größtmöglichste Wissensverwertung (viel und schnell auswendig lernen) in der kleinstmöglichen Zeitspanne (und somit auch den größtmöglichem Portemonnaieinhalt der Familienangehörigen) vor. Das Humboldt-Ideal eines freien, seinen Neigungen entsprechenden Studiums rückt in Deutschland somit in scheinbar unerreichbare Weiten. In den Semesterferien sind zudem Pflichtpraktika in Vollzeit vorgesehen – wieder nichts mit Lebensunterhalt verdienen. Und dabei wäre das im Zeitalter der Studiengebühren nun wirklich dringend geboten. [...] Häufig wird den Studienreform-KritikerInnen unterstellt, prinzipiell nicht offen für neue Strukturen zu sein. Internationalisierung sei wichtig für die Vergleichbarkeit der Abschlüsse und damit die Wettbewerbsfähigkeit, so heißt es. Sicherlich ist Internationalisierung
notwendig, da diese den kulturellen Austausch erleichtert und damit zu der Vergrößerung von Diversität und Innovationen beiträgt. Dennoch sollte hierbei nicht vergessen werden, wer oder was von dieser Internationalisierung ausgenommen wird. Und dies geht stets zu Lasten der benachteiligten Bevölkerungsgruppen, ob nun im Zuge des Bologna-Prozesses auf europäischer Ebene, oder der Globalisierung auf internationaler Ebene – so jedenfalls bitte nicht.


oder die UmWis Mathias Schröter und Sebastian Heilman, die KuWi Johanna Eisenschmidt und der KuWi Jan-Sebastian Ebert:

...Dieser Prozess war in dieser Form einer Universität nicht würdig. Die Hochschulöffentlichkeit wurde mit einem von der Hochschulleitung gemeinsam mit einer Werbe-Agentur ausgewählten Namen konfrontiert, den die meisten zuvor noch nicht gehört haben dürften. Wenn sich eine Universität einen Namen gibt, sollte dies gemeinsam mit den Universitätsangehörigen in einem offenen Diskurs erfolgen. Universitäten sind keine Wirtschaftsunternehmen, bei denen eine Werbe-Agentur das „branding“ übernehmen kann und sollte. [...] Die äußere Hülle der Uni wird chic und neu: Ein alter Name ist gefunden, der keinem etwas sagt. Der Campus wird architektonisch neu gestaltet (woher kommt das Geld dafür?), sodass der äußere Anschein vermittelt: Hier sehen Sie die neugeborene Leuphana Universität, wo mur die Fleißigsten und Klügsten studieren. Leider fehlt es im Inneren am Wichtigsten: Fähige Lehrende, die langfristig angestellt sind. [...] Leuphana Universität Lüneburg – klingt nach wie vor wie Nasenspray. [...] Für die meisten Leute in Uni und Stadt
stellte er sich von Anfang an so dar, als wenn Leute aus der Beraterbranche „bei uns im Hause“ ihre vorgefertigten Managementstrategien anwenden (sprich: aus Lüneburg ein zweites St. Gallen machen) wollen und sich nicht im Geringsten darum kümmern, mit welcher kulturellen Basis sie es hier vor Ort zu tun haben. [...] Die wohl größte und nach wie vor latente Befürchtung ist diejenige, einfach abserviert zu werden. Wir haben hier nach wie vor Einstellungsstopp, maximale Einsparungen und die Hoffnungen, dass die Neuausrichtung schnell etwas daran ändert, sind nur sehr schwach. Denn, wenn kein Geld für Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter da ist, aber Kapazitäten in ein neues Studienmodell investiert werden, habe nicht nur ich den Verdacht, dass es die momentan eingeschriebenen Studierenden sein werden, die unter dem neuen Modell eher leiden werden. [...] Audimax: What the f**k?!? Die größte Vorlesung hier an der Uni füllt knapp den Hörsaal 2, also was brauchen wir’s!?! Argumente dafür lassen auf sich warten…


Und last not least der studentische Senator Caspar Heibl:

...Dann wird das Damokles-Schwert der Schließung aufgehängt und das durch Kürzungen und Stellenabbau überlastete Personal und Professorium, sofern noch nötig, gegeneinander ausgespielt. Abtritt Universität Lüneburg, Ruhe in Frieden. Auftritt der totgeglaubten, wie Phönix aus der Asche wird sie als Leuphanawiedergeboren! Leistungsorientiert, autonom, in einem mitkonstruiertem Wettstreit um das spärliche Geld von öffentlicher und privater Hand, Frontkämpferin in einem globalen Krieg um Begabung, der Umgestaltung der Gesellschaft durch die Ausbildung von Leistungs- zu Funktionselite verpflichtet, unabhängig von lästiger Beeinflußung durch die Politik. Lästige Vorgaben zur sozialen Öffnung können abgestreift werden, auch das Korsett einer politischen Ideologie, die den Hochschulen aufzwingen wollte, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und mehr Bildung zu wagen. (Willy Brandt war also doch ein gleichmacherischer Kommunist, wie es scheint...) [...] Sehr einfallsreich, so der Eindruck des Verfassers sind die meisten dieser Ideen nicht, zumindest nicht für Menschen, die bereits von anderen Hochschulen vernommen haben, das diese nun Leuchtürme bauen, auf einzigartige Weise Forschung, Lehre und Transfer verbinden, die besten Studierenden und ForscherInnen anwerben, bestmöglichst qualifizierte Arbeitskräfte ausbilden, in der Forschung eine mindestens europaweite Spitzenposition anstreben, der regionalen bis internationalen Wirtschaft mit beständiger Innovation helfen, mit teurer Weiterbildung Geld verdienen, ein superduper konzipiertes Studium mit 24/7 Anwesenheitspflicht und die Studierenden mit völlig neuartigen Soft Skills zu überall einsetzbaren Arbeitskraftmodulen zu formen. [...] Doch landet diese Autonomie beim Hochschulpräsidium und führt in Verbindung mit den nun modischen „straffen, effizienten Entscheidungsstrukturen“ zu Konflikten innerhalb der Hochschule zwischen dem Präsidium und den Statusgruppen, bzw. zwischen letzteren.
Auch das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit, die die Hochschulen (noch!) finanziert, des lokalen Umfeldes der Hochschule (die Universität Lüneburg ist wichtigster Wirtschaftsfaktor der Region Lüneburg), der Politik, die vielleicht die Hochschulen doch ein bischen mitlenken will, der StudienbewerberInnen, die eine Hochglanzfassade wenig interessiert, all dies muss wohl in Zukunft zurücktreten zugunsten der „unternehmerisch handelnden Hochschule“, die ihre Marktstrategie nicht verraten will, gar Wirtschaftsspionage fürchtet. [...] Eine Universität, die ein neuartiges Studienmodell, eine neuartige Organisationsform und den entschiedenen Einsatz für die Lösung gesellschaftlicher Probleme leben möchte, wäre gut beraten, sich ihr internes Fachwissen zu nutze zu machen. Der Autor dieser Stellungnahme beispielsweise studiert Diplom-Erziehungswissenschaften mit dem (einzig vorgesehenen) Schwerpunkt Weiterbildung und Organisationsentwicklung, und vermutet, das das Fach einen Beitrag zur Neuausrichtung der Uni hätte liefern können. Da die Schwerpunkt-Professur seid ungefähr 5 Jahren nicht besetzt ist, kann der Autor nur raten. Entscheidend ist hier aber, das die Erziehungswissenschaften nur noch als Nebenfach weitergeführt werden, da es niemand gab, der die Disziplin im Wettstreit um die begehrte Zulassung als Hauptfach hätte vertreten können. [...] Ausgesprochen absurd mutet die eigenwillige Interpretation des Bologna-Prozeß an: In der druckfrischen Leuphana® -Selbstdarstellungsbroschüre wird zuerst behauptet, der Bologna-Prozess sei mit der Einführung von Bachelor und Master umgesetzt. Diese dreiste Behauptung wird noch gekrönt von der wagemutigen Behauptung, das die „Umsetzung der Bologna-Reformen das Organisationschaos manch bisheriger Studiengänge beseitigt“ habe. [...] Das die neuen Studiengänge den alten überlegen seien, darf zumindest für die Leuphana® Universität Lüneburg als teilweise falsch gelten und wurde auch vom jetzigen Präsidium mehrfach bestätigt. Nicht angepasste Prüfungsformen, massive Überbuchung des Workload mit in Hochphasen 50 Stunden Workload (Studienzeit) pro Woche, unklare Zuständigkeiten, Regelungslücken, magelnde Überarbeitung der Studieninhalte sind zwar nicht nur in Lüneburg als Kinderkrankheiten der neuen Studienformen zu sehen. Eine Behebung des Organisationschaos wäre aber wohl eher durch eine personelle Verstärkung der Verwaltung zu erreichen. [...] Das College wird Erfolg haben, wenn „alle Beteiligten Lehren und Lernen als Privileg verstehen“, so der snobistische Ansatz. Bildung als Grundrecht zu betrachten, scheint den Schöpfern der Leuphanaoffensichtlich zu hippiemäßig. [...] Die angedachten Interviews zur Auswahl von StudienbewerberInnen kommen hier gerade recht. So haben Auswahlgespräche nach Stand der Forschung zwar minimale Aussagekraft für den Studienverlauf, wie z.B. Oliver Wilhelm, Psychologe an der HU Berlin, gestern gegenüber der SZ verdeutlichte. [...] Doch soll nicht nur gepaukt, sondern auch und gerade Neues und Unbekanntes entdeckt werden. Die Leuphana-Studierenden sollen nicht mit möglichst kleinem Aufwand der Abschluß machen, sonder die Bereitschaft besitzen, Zeit und Energie für Unbekanntes und Unerwartetes zu investieren. Theoretisch eine sehr positive Idee. Aber auch nur theoretisch. In der Praxis dürfte diese Wissenslust aufgrund des finanziellen Druck durch Studiengebühren(kredite) und BaföG-Schulden nur bei Sprößlingen reicher Eltern gedeihen. Das dürften auch diejenigen sein, die den völlig absurden Katalog der Bonuspunkte für die Studienplatzbewerbung nutzen könnten. Wer gerade in den Bundestag gewählt wurde oder zumindest einen Sieg bei Jugend forscht sein/ihr eigen nennt, bekommt immerhinein paar Bonuspunkte. Wer doch nur teilgenommen hat, nur Kandidatin war, es nur bis zum Klassensprecher geschafft hat, oder so blöd war, statt der eigenen Firma nur eine Jugendgruppe zu leiten, bekommt natürlich keine Bonuspunkte für die Bewerbung. „Peanuts“ würde ein Freund unseres neuen Studienmodelles wohl dazu sagen. [...] Was genau bedeutet eigentlich Humanistisch, Handlungsorientiert, Nachhaltigkeit? Ist Nachhaltigkeit auch sozial gedacht? Ist humanistisch im bürgerlichen Sinne zu verstehen? Wozu und für was handeln? Lassen sich aus SchülerInnen starke Persönlichkeiten formen, wenn diese vom ersten Semester an intensive Allgemeinbildung, direkten Transfer, Anwendung von Theorien an konkreten Problemstellungen, überdurchschnittlichen Zeitaufwand, ehrenamtliches Engagement und zeitnahe Leistungserstellung bieten müssen? Werden diese Studierende in den drei Jahren Bachelor jemals den Campus verlassen, wenn es ein nicht studienrelevanter Termin ist?

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Warum lasst Ihr nicht mal jemanden etwas Vernünftiges machen?

Wir sollten froh sein einen innovativen Präsidenten zu haben, der unsere Uni aus der Provinz herausheben will!

Anonym hat gesagt…

Aber wenn schon aus der Provinz, dann doch bitte nicht in ein prä-äufklärerisches Leuphana-Nirvana oder in eine Dependence von Bertelsmann&Co

Anonym hat gesagt…

Naja, Lüneburg IST nun mal Provinz. Was ja auch nicht schlimm ist!

Außerdem sollten - meiner Meinung nach - auch noch irgendwo ganz "normale" Leute studieren können. Es muss ja nicht jede Uni eine Modell- oder Eliteuni werden.

Und zu dem neuen Namen sag ich lieber gar nix :o